Es geht ans Eingemachte!
WoW Classic ist ein Spiel, in dem sich soziale Strukturen herausgebildet haben, die sehr ähnlich zu realen Welt sind. Die ganze Geschichte war auch aus psychologischer Hinsicht ein spannendes Experiment für mich.
Was konnte ich also an Erfahrungen von meinem damaligen Server mitnehmen?
Den Artikel zu Part 1 findet ihr hier.
Lektion 1 - Kontakte sind alles.
Ganz ehrlich? Ich hab gedacht WoW Classic wäre wie jedes andere moderne MMO auch.
Im Grunde spielt man allein und wenn eine Gruppeninstanz oder ähnliches gemacht werden muss, dann geht man in die Gruppensuche, nach 1-5 Minuten findet sich eine Gruppe und man trifft sich bei der Instanz oder wird dahin teleportiert. Gemeinsam haut man sich relativ kopflos durch die Herausforderung, deren Besonderheit darin besteht, dass man mehr schaden braucht, als ein Spieler allein und das wars dann auch schon. Gilden sind in modernen MMO's diese anonymen Konstrukte mit 300+ Mitgliedern, wo jeder machen kann was er will und eigentlich kann jeder sowieso alles allein machen.
Pustekuchen.
WoW Classic ist hochkooperativ. Du kannst so gut wie nichts allein machen und bist regelmäßig von anderen Mitspielern abhängig. Das fängt schon beim Wasser an!
Zu Anfang bin ich nur in die Hardcore-Gilde gekommen, weil meine Freunde (Freund in WoW Classic = Spieler, mit dem man gemeinsam mehrere kooperative Quests oder Instanzen abgeschlossen hat, der sich als freundlicher, kommunikativer, verlässlicher und hilfsbereiter Mitspieler präsentiert hat, der regelmäßig online ist und bestenfalls in der gleichen Gilde ist, wie du.) gesagt haben, entweder alle oder keiner und weil die Gilde zu diesem Zeitpunkt dringend „Rekruten“ gebraucht hat. Andernfalls hätte ich keine Chance gehabt, schon gar nicht mit einer Klasse, die viel gespielt wird in WoW Classic.
Zu meinem Glück hatte ich mich auf die Klasse gestürzt, die sonst nur wenige der erfahrenen Veteranen spielen wollen: Druiden Heiler.
Dennoch war es ein offenes Geheimnis, dass die Gildenleitung mich nur als Lückenfüller behalten wollte, bis wiederum deren Freunde mit ihren Druiden Level 60 erreicht hatten.
Und obwohl meine Freunde die wichtigsten Eckdaten vorab mit der Gildenleitung geklärt hatten, musste ich dennoch eine Bewerbung ausfüllen und noch ein Gespräch mit dem Gildengründer führen.
Die Bewerbung umfasste insbesondere Fragen zur spielerischen Vorerfahrung in WoW Classic.
Ich kann mich nicht mehr an alle Punkte im Formular erinnern, aber es sah ungefähr so aus:
Spielername: Cosca
Alter: 25
Hauptklasse: Druide
Skillung: Heiler
Aktuelle Ausrüstung:
Hier konnte ich zum Glück mit ganz guten Teilen aufwarten, da ich bereits seit einer Weile mit meinen Freunden die Instanzen spielte.
Wie viel WoW Erfahrung (Classic und Allgemein) hast du?
Ich hab vor knapp 10 Jahren mal die 2 Gratiswochen von WoW gespielt.
Auf welchen WoW Classic Servern hast du bisher gespielt?
Keine
Klasse und Name auf den jeweiligen Servern (Die Leistung des Spielers lässt sich ggf. online in entsprechenden Raid-Datenbanken nachsehen.)?
Nicht vorhanden.
Wie viel Raiderfahrung hast du gesammelt?
Keine
Screenshot von deinem Interface.
(Ich hatte zu dem Zeitpunkt keine Ahnung, wie ich auf meinem Mac einen Ingame-Screenshot machen kann und stand unter Zeitdruck dieses Formular auszufüllen. Was hab ich also in professioneller Art getan? Mein Telefon gezückt und ein Foto von meinem Bildschirm gemacht 😂)
Warum sollten wir dich aufnehmen?
Weil ich nicht einmal einen ordentlichen Screenshot machen kann.
Zumindest die Antwort auf die letzte Frage hat bei meinem legendären Gildenleiter zu einem Lachanfall im Gespräch geführt.
KEINE Gilde, die auch nur im Ansatz ambitioniert war, hätte mich damals genommen.
Ich war also das Anhängsel, von dem Niemand etwas erwartet hat.
Zu meiner Bestürzung landeten wir in einer Gilde mit kaum 60 Mitgliedern. Die meisten der Leute kannten sich von vorherigen Servern. Empfehlungen von Spielern, die bereits Teil der Gilde waren, hatten großes Gewicht auf die Auswahl neuer Rekruten.
Ich konnte nicht anonym untertauchen und hoffen, irgendwie durchgezogen zu werden. Zum Glück hatte ich die kleine Gruppe von relativ entspannten Leuten, die ich zum Ende meiner Level-Phase kennengelernt hatte. Sie halfen mir durch die etwas kniffligeren Instanzen, in denen ich zu Beginn nicht selten für den Tod meiner Mitspieler verantwortlich war.
Wobei ich hier anmerken möchte, dass es als Druide meiner Meinung nach auch nicht wirklich leicht ist in einer Instanz ohne Ausrüstung zu heilen. Ich hatte später noch einen Priester gespielt, mit dem es deutlich leichter ging.
Aber ich war glücklich! Erstmal hatte ich eine Gilde und einen Raidplatz. Jetzt galt es nur noch, diesen irgendwie zu behalten.
Doch hier wurden mir die Kontakte einmal zum Verhängnis. Ich trat der Gilde in einer Gruppe von 4 Leuten bei. Zuerst hörte einer spontan mit dem spielen auf, ohne bescheid zu sagen. Dann wurde der zweite rausgeworfen, weil er im Raid immer wieder unnötige Fehler machte und keine Verbesserung zeigte. Der Dritte beschwerte sich wegen der Lootverteilung und wurde ebenfalls rausgeworfen und in diesem Fall flog ich dann gleich mit raus.
Nur durch neue Kontakte, die ich in der Zwischenzeit kennengelernt hatte und die für mich einstanden, konnte ich zwei Wochen später zurückkehren.
Selbstverständlich ging dem eine herzerwärmende Entschuldigung meines Gildenleiters voraus.
Demnächst geht es weiter mit Lektion 2 - Sei niemals gierig.
Vinachia 💎
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